Kurt Halbritter über sich selbst

Kurt Halbritter, Portrait

Ich wuchs in einer Zeit auf, von der man behauptet (damals wenigstens), sie sei eine „große“. Mein Beruf war eigentlich das erste, was ich frei wählen durfte, und ich wählte prompt falsch.
Karikaturist wurde ich erst viel später. Es war sozusagen der Anfang meines zweiten Lebens. Krieg, Kriegsgefangenschaft, dann die Heimkehr und die Frage: Was nun? Wieder zurück in den alten Beruf, oder endlich tun, wonach mein Herz verlangte – zeichnen, malen, illustrieren?

Das mit der Malerei war eine Seifenblase. Sie zerplatzte ganz still und lautlos. Dagegen öffnete sich mir ein Gebiet, das an keiner Akademie oder Werkkunstschule gelehrt wird. Das Stiefkind der großen Kunst, die Karikatur, hatte ihr Opfer – mich.

Es kam nicht einmal überraschend. Soweit ich mich zurückerinnern kann, hatte ich zu Bleistift und Papier ein inniges Verhältnis. Das erste meines Lebens überhaupt. Wenn meine „Erstlingswerke“, die Bildnisse von damals, alle einen Hauch des Lächerlichen aufwiesen, so war es nie Absicht. Die „Zeichenstunde“ war das Schönste an der Schule und versöhnte mit mancher Stunde, die mit „nützlicheren“ Fächern belegt war. Ich begreife heute noch nicht jene Menschen, die in ihrer Schulzeit die schönste und sorgenloseste Zeit ihres Lebens erblicken. Meine Sorgen jedenfalls waren im Verhältnis zu heute kaum geringer.

Die anderen wurden Dr. med., Bankbeamter, Verkäufer, Regierungsrat, Autohändler, ich wurde Karikaturist: ein Mensch, der Männchen malt, - ulkige, versteht sich. Sie haben ihre Kollegen und ich die meinen, und jeder übertreibt auf seine Weise, wobei noch dahingestellt bleibt, wer die Übertreibung besser beherrscht. Das Übertreiben ist ganz anderen Leuten vorbehalten als ausgerechnet einem Karikaturisten, der nur zeichnet, was er sieht, hört, erlebt und denkt. Die Welt ist voller Übertreibungen, die kein Zeichner, und sei er noch so sehr Karikaturist, erreichen könnte. Die gute Karikatur kommt mit der Hälfte der Übertreibungen aus, deren sich ein schlechter Politiker bedient.

Karikatur ist Ausdruck eines „humoristischen“ Verhaltens für die, die nicht mehr darin sehen oder hineinlegen wollen. Sie ist Kritik, Kommentar und Angriff für jene, die in der Karikatur mehr sehen als Unterhaltung und Auflockerung einer Zeitungsseite. Die Karikatur beginnt, wo das Wort seinen Wert verliert, und endet, wo sie durch das Wort ersetzt werden kann. Einen Kompromiß gibt es allenfalls, wo sich Wort und Zeichnung die Waage halten.

Eine Karikatur ist noch lange nicht schlecht, weil man nicht über sie lachen kann, aber sie ist auch nicht deshalb gut, weil man über sie lacht.

Eine Karikatur zu verstehen, ist nicht immer leicht. Einen Karikaturisten zu verstehen, fast unmöglich. Nun sollte ein Karikaturist zwar seine Arbeit ernst nehmen, nicht aber sich. Das erspart ihm manchen Ärger und verhilft ihm zu einer besseren Einstellung gegenüber seiner Umwelt, die ihm letzten Endes zu seinem Beruf verholfen hat. Er wird außerdem mehr Verständnis für seine Mitmenschen aufbringen müssen, als diese für ihn.